BGH V ZR 17/24, Urteil vom vom 25. Oktober 2025
In dieser Entscheidung hatte der BGH zugegebener Maßen einen recht kuriosen Sachverhalt zu entscheiden. Auf das Wesentliche heruntergebrochen hatte der Kläger Beschlüsse aus einer Eigentümerversammlung im Oktober 2016 rechzeitig angefochten. Auch den vom Gericht eingezahlten Kostenvorschuss hatte er rechtzeitig eingezahlt. Dann passierte lange, sehr lange Zeit nichts. In 2020 fragte er bei Gericht nach, wie das Gericht denn nun entscheiden würde. Daraufhin wurde die Klage Anfang 2021 überhaupt erst an die Beklagten zugestellt.
Eigentlich hatte der Kläger alles richtig gemacht, eigentlich. Nur hätte er nicht so lange warten dürfen, bis er beim Gericht nach dem Stand der Angelegenheit fragte.Ob sich aus der Treuepflicht der Wohnungseigentümer in wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren eine Pflicht zur Sachstandsanfrage bei Gericht ergibt, wenn es zu Verzögerungen im Zustellungsverfahren durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts kommt, hatte der BGH bislang nicht entschieden. Nun hatte er aber diesen kuriosen Sachverhalt auf dem Tisch. Der Leitsatz der Entscheidung des BGH lautet:
“In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren trifft den Kläger die Obliegenheit, bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen, selbst wenn er alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß gezahlt hat. Erfüllt der Kläger diese Obliegenheit nicht, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO (“demnächst”) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung.”
Diese Jahresfrist sucht sich der BGH aus § 45 Satz 2 WEG n.F.; nur innerhalb dieser Frist kann eine Prozesspartei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Innerhalb dieses Zeitraums, so der BGH, obliegt es dem klagenden Wohnungseigentümer, bei Gericht nach dem Sachstand zu fragen, wenn eine Zustellung der Klage trotz sämtlicher von ihm vorgenommener erforderlicher Mitwirkungshandlungen unterbleibt. Der Gesetzgeber hat diese Frist als äußerste zeitliche Grenze zur Erhebung der Anfechtungsklage auch unter Berücksichtigung von die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründenden Umständen ausgestaltet. Dieser Umstand rechtfertigt es, dem klagenden Wohnungseigentümer aufzuerlegen, innerhalb dieser Frist bei Gericht den Sachstand zu erfragen.
Irgendwie ist es nachvollziehbar, dass der BGH nach einem Lösungweg in dieser absolut verkorksten Situation gesucht hat. Und es ist natürlich auch sehr ungewöhnlich, dass eine Prozesspartei eine Klage erhebt, den Gerichtskostenvorschuss einzahlt und dann jahrelang nichts unternimmt. Aber es ist genau so ungewöhnlich, dass das staatliche Gericht vier Jahre lang auf der Akte sitzt und erst auf Anfrage des Klägers dann nach vier Jahren die Klage zustellt. Wobei der Sachverhalt noch ein wenig diffiziler war, ich habe ihn hier ein wenig vereinfacht.
Trotzdem bleibt ein kleines Geschmäckle zurück. Wenn Anwalt und Gericht nicht performen, liegt die Schuld nachher beim Anwalt bzw. der Prozesspartei. Ist das richtig? Der Kläger ist also dafür zuständig, das Gericht zu disziplinieren? Nochmal: eine vernünftig arbeitende Rechtsanwaltskanzlei hakt natürlich regelmäßig, am Besten alle 2 Wochen, bei Gericht nach und fragt nach dem Stand der Klage. Aber auch ein vernünftig arbeitendes Gericht stellt die Klagen ja unverzüglich zu. Und am Ende ist dann der Anwalt schuld (bzw. die Anwältin). Das ist unbefriedigend.
Dr. Patrick Kühnemund