BGH zur abweichenden Kostenverteilung – Teil 1

Urteil vom 14. Februar 2025 – V ZR 236/23

Urteil vom 14. Februar 2025 V ZR 236/23

Der Bundesgerichtshof hat sich am 14. Februar in zwei Urteilen erfreulich klarstellend zum Anwendungsbereich und zur Reichweite des § 16 Abs. 2 WEG geäußert, also der Möglichkeit, die Kostenverteilung im Beschlusswege zu ändern. Nachfolgend finden Sie die Pressemeldung:

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Zu der Anlage gehört eine Tiefgarage mit 15 Stellplätzen. Die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1971 ordnet die Nutzung der Stellplätze ausschließlich bestimmten Wohneinheiten zu. Zudem regelt die Gemeinschaftsordnung, dass die Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle ausschließlich von diesen Wohneinheiten zu tragen sind. Die Einheit der Klägerin verfügt nicht über ein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz. Im April 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer, das Dach der Garage sanieren zu lassen und die damit verbundenen Kosten auf sämtliche Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile umzulegen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgegeben hat. Nachdem ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist, verfolgt die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Nach der Gemeinschaftsordnung sind die bei der Sanierung des Tiefgaragendaches entstehenden Kosten nur von den Einheiten mit Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz zu tragen. Die beschlossene Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen führt dazu, dass auch Wohnungseigentümer ohne Stellplatz – wie die Klägerin – für die Sanierung des Tiefgaragendachs zahlen müssen; der Beschluss sollte die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte objektbezogene Kostentrennung zwischen Gebäude und Tiefgarage gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG konstitutiv ändern. Die erforderliche Beschlusskompetenz besteht – wie der Bundesgerichtshof in der Sache V ZR 81/23 bereits entschieden hat – auch dann, wenn der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem – wie hier – Wohnungseigentümer erstmals mit Kosten belastet werden.

Da das Landgericht entgegen dieser – erst nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen – Rechtsprechung die Beschlusskompetenz verneint hatte, hat der Bundesgerichtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Nunmehr wird das Landgericht klären müssen, ob die Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen; zu prüfen ist dies nur dann, wenn – wie hier – innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist Klage gegen die Beschlüsse erhoben worden ist. Zu der insoweit erforderlichen Prüfung von Anfechtungsgründen hat der Bundesgerichtshof nähere Vorgaben gemacht. Inwieweit es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, durch Beschluss auch die zuvor kostenbefreiten Wohnungseigentümer an den auf einen der Gebäudeteile entfallenden Erhaltungskosten zu beteiligen, war bislang ungeklärt. Nach dem bis zum 30. November 2020 geltenden Recht waren derartige Beschlüsse schon mangels Beschlusskompetenz ohne Weiteres nichtig. Der Bundesgerichtshof hat zu der neuen Rechtslage nun entschieden, dass es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, durch Beschluss auch die übrigen Wohnungseigentümer an den auf diesen Gebäudeteil (hier der Tiefgarage) entfallenden Kosten zu beteiligen. Denn in typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist. Regelmäßig wird die objektbezogene Kostentrennung nämlich deshalb vereinbart, weil sich Gebrauch bzw. Gebrauchsmöglichkeiten besonders stark unterscheiden, wie es insbesondere in Anlagen mit unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen oder in Mehrhausanlagen der Fall ist. Daher bedarf es in dieser Fallkonstellation – anders als bei üblichen Beschlüssen über die Änderung der Kostenverteilung – eines sachlichen Grundes, damit die Kosten auf alle Wohnungseigentümer verteilt werden dürfen.

Wann ein sachlicher Grund für die Einbeziehung der übrigen Wohnungseigentümer besteht, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab und lässt sich nicht abschließend vorgeben. In dem hier zu entscheidenden Fall könnte es jedenfalls ausreichend sein, wenn die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die von dem übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren. Ebenso kann ein sachlicher Grund gegeben sein, wenn sich das Problem, für dessen Beseitigung die Kosten anfallen, auf die gesamte Anlage erstreckt, und aus diesem Grund eine Gesamtsanierung der Anlage unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer beschlossen wird. Hingegen stellt es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung zwischen Tiefgarage und Gebäude für sich genommen keinen sachlichen Grund für eine Beteiligung aller Miteigentümer dar, dass die Kosten Teile des Gemeinschaftseigentums betreffen, die auch für das übrige Gemeinschaftseigentum – insbesondere aus Gründen der Statik – von Bedeutung sind.

Meine Anmerkung hierzu: Tiefgaragen sind oftmals kompliziert in der Umsetzung der Kostenverteilung. Denn die Tiefgaragen sind in der Regel ja kein vom Rest des Gebäudes getrennter Baukörper. Sondern oftmals bilden sie in Teilen die Fundamente der aufstehenden Gebäude. Ich hatte einmal eine WEG in der Betreuung, in der die Gebäude im Kreis um einen Innenhof gruppiert waren. Unter dem Innenhof lag die Tiefgarage. Die Decke der Tiefgarage war also der “Garten” des Innenhofes, der gleichzeitig auch als Auffahrtfläche für die Feuerwehr diente. Der Stahlbeton war marode. Die TE sah vor, dass für Kosten, die alleine die Tiefgarage betrafen, nur deren Eigentümer zuständig sein sollten. Was nun? Der Fall spiele Anfang der 2000 Jahre, also weit vor allen gesetzlichen Öffnungsklauseln. § 16 Abs. 2 bietet jetzt die Möglichkeit, solche Besonderheiten zu berücksichtigen. Sie müssen aber auch berücksichtigt werden, wie der BGH dem Landgericht ins Stammbuch geschrieben hat.

Dr. Patrick Kühnemund