AG München vom 28.8.2024 – 1292 C 15423/22 WEG
Es scheint ein lukratives Geschäftsmodell zu sein: Man kaufe eine Eigentumswohnung, z.B. eine Drei-Zimmer-Wohnung. Man statte jedes Zimmer z.B. mit drei Betten aus und vermiete dieses Wohnung dann an stetig wechselnde Bewohner – meistens Monteure auf lokalen Baustellen. Da kann jeder für sich rechnen, wie sich das rechnet. Nur die Miteigentümer sind unglücklich. Es gibt erste Teilungserklärungen auf dem Markt, die dieses Problem aufgreifen und bei der Zweckbestimmung ausdrücklich die Vermietung an ständig wechselnde Mieter, wie z.B. Feriengäste oder Monteure verbieten. Die meisten Teilungserklärungen in den vorhandenen Gemeinschaften kannten das Problem, das letztlich ja durch Plattformen wie Airbnb enstanden ist, nicht.
Wie kann eine WEG damit umgehen, wenn ein Eigentümer seine Wohnung an ständig wechselne Mieter vermietet?
Bei einer Vermietung an Touristen, also an Feriengäste, hatte der BGH bereits in seiner Entscheidung vom 15.1.2010 (V ZR 72/09) festgehalten, dass eine solche Nutzung durchaus eine Wohnnutzung ist und somit gemäß den üblichen Teilungserklärungen nicht verboten werden kann. Der BGH hatte dort den schönen Begriff des “Unterkunftsbedürfnisses” geprägt.
In einer relativ aktuellen Entscheidung hat sich das AG München damit auseinandergesetzt und aus meiner Sicht sehr interessant herausgearbeitet, dass es einen Unterschied zwischen stetig wechselnden Feriengästen gibt, und einer “heimähnlichen” Unterbringung mit starker Belegung der Wohnung. Konkret heißt es in dem Urteil:
“Ob eine konkrete Nutzungsform den Rahmen einer nicht weiter durch Bestimmungen in der Teilungserklärung oder sonstigen Vereinbarungen beschränkten Wohnnutzung überschreitet, bestimmt sich danach, ob diese die anderen Wohnungseigentümer stärker beeinträchtigt, als bei einer Nutzung des Wohneigentums zu Wohnzwecken typischerweise zu erwarten ist (vergleiche Landgericht Bremen, Beschluss vom 12.05.2020, Aktenzeichen 4 S 267/19 Rz. 11). Grundsätzlich ist auch die Überlassung von Wohnungseigentum als Unterkunft für einen laufend wechselnden Kreis von Bewohnern als zulässige Wohnnutzung angesehen (vergleiche BGH, NJW 2010, 3093). Eine Einschränkung liegt allerdings dann vor, wenn eine solche Nutzung den Charakter einer Heimnutzung bzw. eine heimähnliche Nutzung annimmt. Eine heimähnliche Nutzung kann dann vorliegen, wenn eine Vielzahl von Personen in fortlaufend wechselndem Bestand auf jeweils engsten Raum untergebracht wird, wobei eine Belegung einer möblierten Dreizimmerwohnung mit neun ausländischen Bauarbeitern als eine „Art Arbeiterwohnheim“ angesehen worden ist, das nicht Wohnzwecken diene (vergleiche OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2004, 662). Von einer Unterkunft für Arbeiter und Monteure ist dann auszugehen, wenn die bauliche Gestaltung der Einheit für einen auch in einer Wohngemeinschaft unüblich großen Personenkreis ausgelegt ist bzw. ausgelegt werden soll, das Nutzungskonzept gemeinschaftliche Küchen- und Sanitäranlagen sowie die Unterbringung in Mehrbettzimmern vorsieht und zwischen den Bewohnern (typischerweise) keine persönliche Bindung besteht (vergleiche BGH, Urteil vom 27.10.2017, Aktenzeichen V ZR 193/16). Streitig ist zwischen den Parteien nicht die Raumaufteilung der streitgegenständlichen Wohnung, sondern vielmehr die tatsächliche Quadratmeterzahl. Es ist daher von drei Schlafräumen auszugehen, sodass eine Belegung in Mehrbettzimmern bei einer Gesamtbelegung von sechs Monteuren á zwei Monteuren und vier Monteuren bei einer Gesamtbelegung von zehn Monteuren erfolgen muss. Ausweislich des als Anlage B 1 vorgelegten Mietvertrags und der Annonce der Beklagten (Anlage K 8) wird eine Vermietung an Endmieter sogar bis zu acht Personen als zulässig erachtet. Mit einer Kochnische und Schlafmöglichkeiten nur in Zwei- bis Vierbettzimmern ist eine eigenständige Gestaltung der Haushaltsführung nicht möglich. Eine für eine Wohnung typische Rückzugsmöglichkeit ins Private ist nicht gegeben. Die Endmieter sollen ihren Lebensmittelpunkt auch ausweislich des vorgelegten Mietvertrags an einem anderen Ort haben, sodass der Aufenthalt der Monteure ein übergangsweises, provisorisches Unterkommen darstellt. Nach der Einvernahme der Zeugen, *** und *** ist das Gericht davon überzeugt, dass hier keine Vermietung an bestimmte Personen mit einer Mietdauer von mindestens 6 bis maximal 12 Monate vorgelegen hat. Die Angaben der drei Zeugen *** haben ergeben, dass in der streitgegenständlichen Wohnung seit September 2021 ständig wechselnde Monteure untergebracht waren und die Belegung der Wohnung in diesem Zeitraum regelmäßig zwischen sechs und zehn verschiedenen Monteuren erfolgte. Auch ist danach von einer zumindest regelmäßig wochenweise wechselnden Belegung auszugehen.”
Das AG München hat sich also die Situation ganz konkret angesehen und kam dann zu dem Schluss: “Da nicht auf die vertragliche Ausgestaltung, sondern auf die tatsächliche Nutzung abzustellen ist, ist hier von einer Überbelegung und Störung durch eine arbeiterwohnheimähnliche und nicht wohnungsmäßige Nutzung auszugehen. Dies muss sich die Beklagte als Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung zurechnen lassen in WEG-rechtlicher Hinsicht, da sie gemäß § 14 Abs. 2 Ziffer 1 verpflichtet ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern deren Sondereigentum nicht über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen. Dieses Maß ist hier durch die heimähnliche Nutzung als Monteurwohnheim überschritten.”
Letztlich kommt es – wie immer -auf den Einzelfall an. Das AG München liefert hier aber eine gute “Blaupause” für Gemeinschaften, die sich durch solche Vermietungen gestört fühlen.
Dr. Patrick Kühnemund