BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 158/22 zu den Voraussetzungen der Anfechtung eines Negativbeschlusses

Worum geht es?

Es ist Alltag in der wohnungseigentumsrechtlichen Beratung: Ein Wohnungseigentümer (m/w/d) erscheint. Er beklagt sich, dass auf der Versammlung der Wohnungseigentümer einige Tage zuvor ein Antrag, den er gestellt habe, nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen bekommen habe. Der Antrag sei abgewiesen worden. Die Juristen sprechen dann von einem sog. “Negativbeschluss”. Denn auch wenn es keine Zustimmung gegeben hat, so haben die Wohnungseigentümer ja doch etwas beschlossen, und zwar: Wir wollen das nicht.

Seit vielen Jahren ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch ein solcher Negativbeschluss angefochten werden kann. Üblicherweise verbindet man das mit einer sog. Beschlussersetzungsklage. Zwingend ist das aber nicht. Allerdings führt die bloße Anfechtung des Negativbeschlusses nicht zu dem gewünschten Erfolg, denn bei Erfolg sagt das Urteil nur, dass der Beschluss nicht hätte abgelehnt werden dürfen, es ersetzt ihn aber nicht. Wie sagt man oft: Der Anfechtende bekäme Steine statt Brot. Sinnvoll ist es daher immer, die Anfechtung eines Negativbeschlusses mit einer Beschlussersetzung zu verbinden.

Was steht in dem Urteil vom 23.6.2023?

Das Urteil beschäftigt sich mit diversen interessanten Themen. An dieser Stelle soll aber nur eines interessieren: Der BGH hatte die Anfechtung des Negativbeschlusses zurückgewiesen, der Beschlussersetzungsklage allerdings statt gegeben. Wie geht das?

Nun, der BGH sagt folgendes: “Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags (sog. Negativbeschluss), hat er hiermit nur dann Erfolg, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf Null reduziert war (vgl. nur LG Hamburg, ZWE 2016, 226, 227 mwN; LG München, ZMR 2020, 51 Rn. 34; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 95 mwN). Dies ist nicht der Fall, wenn es zulässige Alternativen zu dem beantragten Vor-gehen gibt (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2017 – V ZR 102/16, NJW-RR 2017, 1042 Rn. 17). Es verhält sich insofern anders als bei der Beschlussersetzungsklage, die trotz eines auf eine bestimmte Maßnahme gerichteten Klageantrags schon dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen für die Ersetzung eines so genannten Grundlagenbeschlusses vorliegen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Septem-ber 2022 – V ZR 69/21, NJW 2023, 63 Rn. 9).”

Übersetzt: Der Anfechtung des Negativbeschlusses kann das Gericht nur statt geben, wenn es für die Gemeinschaft überhaupt keine anderen Alternativen gegeben hätte. Und das ist ja relativ selten der Fall. Das ist bei der Beschlussersetzungsklage anders, dort kann der BGH ein etwa vorhandenes Ermessen der Gemeinschaft im Rahmen der Beschlussersetzung für diese ausüben.