Anmerkung zu BGH V ZR 180/21
Nach “altem” Recht, also bis zum Inkrafttreten des WEMoG Anfang Dezember 2020, brauchte der Verwalter, wenn er für die GdWE “Wohngelder” einklagen wollte, dazu eine Ermächtigung. Wie eigentlich für alle, was der Verwalter machen wollte. Seine Vollmacht zur Vertretung der Gemeinschaft oder der Wohnungseigentümer ergab sich in sehr engen Grenzen aus dem § 27 WEG a.F., der selbst Juristen vor Herausforderungen stellte. Bei fast allen Maßnahmen des täglichen Lebens einer Gemeinschaft brauchte der Verwalter einen Beschluss der Eigentümer, der ihn bevollmächtigte.
Mit Infraftreten des WEMoG hat sich das geändert, dort ist der Verwalter jetzt nach § 9b WEG zur umfassenden Vertretung der WEG gerichtlich und außergerichtlich befugt. Seine Stellung gleicht, bis auf wenige Ausnahmen, der eines Geschäftsführers einer WEG. Diese umfassende Vertretungsmacht, die das “Können” des Verwalters im Außenverhältnis definiert, darf nicht mit der Weisungsbefugnis im Innenverhältnis gemäß § 27 WEG verwechselt werden, dem “Dürfen”. Der Verwalter kann im Außenverhältnis alles. Ob er das auch im Innenverhältns darf, ist eine andere Frage. Übertrieben ausgedrückt: Der Verwalter kann für die von ihm vertretene WEG den neusten Sitzrasenmäher mit Sportsitzen und Stereoanlage kaufen, der Kauf ist wirksam. Im Innenverhältnis zur WEG wird er sich aber sicherlich einiges anhören und den Schaden ersetzen müssen.
Dass es auf das Innenverhältnis bei Aktionen nach außen nicht (mehr) ankommt, hat der BGH jetzt in seiner Entscheidung vom 16.9.2022 klargestellt. Dort ging es um das Wohngeldinkasso bzw. eine anteilige Sonderumlage. Nach altem Recht brauchte der Verwalter hier einen Beschluss, der ihn ermächtigte, die Forderung gerichtlich geltend zu machen. Nach neuem Recht erübrigt sich das.
Der BGH sagt dazu in seiner Entscheidung: “Erhebt der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, sind Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis, die die Befugnis zur Klageerhebung betreffen, jedenfalls im Grundsatz nicht zu überprüfen. Das entspricht der nahezu einhelligen und zutreffenden Ansicht, der auch das Berufungsgericht gefolgt ist. (…).
Überzeugend ist diese Sichtweise deshalb, weil die Klageerhebung als Prozesshandlung gegenüber dem Gericht ebenso wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die im Außenverhältnis unbeschränkte Vertretungsmacht des Verwalters gedeckt wird. Insgesamt sollte die Teilnahme der GdWE am Rechtsverkehr effizienter gestaltet (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 2) und insbesondere ein effektives Hausgeldinkasso gewährleistet werden (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes, NZM 2019, 705, 717 f.). Der gewünschte Effizienzgewinn träte nicht ein, wenn beklagte Wohnungseigentümer einer Klage der GdWE wie bislang unter Verweis auf die fehlende Ermächtigung im Innenverhältnis entgegentreten könnten; auch die Ausübungsbefugnis der GdWE bezogen auf Klagen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums wäre entwertet, wenn weiterhin auch die auf die Klageerhebung bezogene in-
terne Willensbildung überprüft werden müsste.”
Davon zu unterscheiden ist, worauf der BGH ausdrücklich hinweist, aber natürlich die Frage, ob es für die Klage überhaupt eine materielle Rechtsgrundlage gibt. Wenn die Gemeinschaft von einem Eigentümer Geld haben will, dann braucht sie dafür einen Beschluss, z.B. über die Einforderung von Vorschüssen auf Grundlage eines Wirtschaftplanes oder, wie hier, über die Erhebung einer Sonderumlage.