Gedanken zu LG Bremen vom 8.7.2022 – 4 S 176/21
Kein Bauen ohne Beschluss. Das ist einer der wesentlichen (neuen) Grundsätze des § 20 WEG nach der Reform durch das WEMoG. Während nach altem Recht noch diskutiert worden war, ob eine bauliche Veränderung eines Eigentümers, für die es keinen Beschluss gab, nicht trotzdem Bestand haben dürfte, weil sie vielleicht niemanden beeinträchtigte, ist das nach der Reform jetzt deutlich und anders geregelt.
Wer im Gemeinschaftseigentum Veränderungen vornehmen will, braucht dafür einen Beschluss der Wohnungseigentümer. Unter Umständen hat er einen Anspruch darauf, weil z.B. eine privilegierte Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG vorliegt oder weil die beabsichtigte Maßnahme keinen anderen Miteigentümer “stört,” § 20 Abs. 3 WEG. Aber auch in diesen Fällen, braucht der Bauwillige zunächst einen Beschluss. Baut er ohne einen solchen Beschluss, kann es ungemütlich werden, wie das o.g. Urteil zeigt. Dort war ein Eigentümer auf Rückbau eines Swimmingpools verklagt worden. Den hatte er ohne einen vorherigen Beschluss seiner Miteigentümer errichtet. Seine Verteidigung: Das Rückbauverlangen sei treuwidrig, denn der Pool beeinträchtige die Miteigentümer nicht über das “bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus”. Er habe also doch einen Anspruch darauf, dass ihm der Bau nach § 20 Abs. 3 WEG genehmigt würde. Ob von dem Pool Beeinträchtigungen ausgingen, konnte das LG offen lassen, weil es an dem Beschluss fehlte. Durch den Beschlusszwang infolge des WEMoG würde sichergesetellt, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert würden. Die Beschlussfassung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe überdies den Vorteil, dass der legitimierende Beschluss bei Bestandskraft Rechtssicherheit für den bauenden Wohnungseigentümer gebe und eine Bindungsiwkrung gegenüber Sondernachfolgern herbeigeführt werden könne.
Deshalb, so das Landgericht Bremen, könne es nicht sein, dass ein Eigentümer erst baue und sich dann im Rückbauprozess darauf berufe, doch einen Anspruch auf einen gestattenden Beschluss gehabt zu haben. Die Vorschrift sei keine bloße Förmelei und der Beseitigungsprozess sei nicht der richtige Ort, um erstmals zu prüfen und darüber zu befinden, ob der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Genehmigung der von ihm bereits vorgenommenen oder konkret geplanten baulichen Veränderung habe.
Mit dieser Auffassung ist das Landgericht Bremen in guter Gesellschaft, es zeichnet sich eine herrschende Auffassung in diese Richtung ab. Zu Recht. Man muss auch berücksichtigen, dass die Gemeinschaft bei Beschlussfassungen über privilegierte Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG ja auch darüber entscheiden darf, wer die Maßnahmen durchführt und wie diese konkret durchgeführt werden sollen (§ 20 Abs 2 WEG: Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen). Diese Möglichkeit würde der Gemeinschaft genommen, wenn der Eigentümer erst baut und sich dann damit wehrt, dass man der privilegierten Maßnahme eh hätte zustimmen müssen.
Weil zu dieser Frage bisher der Bundesgerichtshof naturgemäß noch nichts gesagt hat, hat das Landgericht Bremen die Revision zugelassen. Ich konnte auf den “üblichen Kanälen” bisher nicht feststellen, ob der Beklagte hier Revision eingelegt hat.
Was wäre in dem Fall also zu raten: Nun, der betroffene Eigentümer sollte schleunigst auf der nächsten Versammlung einen Antrag auf nachträgliche Gestattung bzw. Genehmigung stellen. Bekommt er diese, hat sich der Rückbauprozess erledigt. Bekommt er sie nicht, müßte er eine entsprechende Beschlussersetzungsklage anstrengen, während derer dann ggf. der Rückbauprozess auszusetzen wäre. Kurz gesagt: Mit einer einfachen Verteidigung ist es hier nicht getan, parallel muss ein “Gegenangriff” vorbereitet werden.