Erhaltungsrücklagen ggf. nicht ordnungsgemäß angelegt
Das vorläufige Insolvenzverfahren der Kallmeyer & Nagel Vermietungs und Verwaltungs GmbH (K&N) wirft Fragen auf. In einem Rundschreiben an die von ihr verwalteten Gemeinschaften schreibt die Verwaltung, sie habe im Namen einer Reihe von WEGs Anleihen bei der “DR Deutsche Rücklagen GmbH” gezeichnet und die Rücklagen der Gemeinschaften in diese Anleihen investiert. Leider seien ab Sommer 2024 aus diesen Anleihen abgerufene Mittel nicht mehr ausgezahlt worden. Man gehe davon aus, dass die Rückzahlung der angelegten Gelder der WEGs gefährdet sei.
Wie konnte es dazu kommen, durfte der Verwalter die Gelder derart anlegen? Nun, in einem führenden Werk zum Wohnungseigentumsrecht heißt es hierzu: “Wie die Anlage erfolgt, bestimmt der Verwalter als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Sinne des § 9b Abs. 1 S. 1 WEG. Allerdings können die Wohnungseigentümer gemäß § 27 Abs. 2 WEG im Innenverhältnis Vorgaben machen. Fehlt es an solchen Vorgaben, muss der Verwalter allerdings nach billigem Ermessen für eine bestmögliche Anlage sorgen.” (MHdB WEG-R/Drasdo, 8. Aufl. 2023, § 16. Rn. 62, zitiert nach beck-online).
Im Rundschreiben an seine Gemeinschaften schreibt K&N, die Anleihen seien mit dem Hinweis offeriert worden, dass die Anlagen der Rücklagen in diesen Anleihen den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Nun, wenn man davon ausgeht, dass der Verwalter ohne einen gesonderten Beschluss der Wohnungseigentümer deren Gelder in keiner Weise spekulativ anlegen darf, dann kann wohl als Anlageform bestenfalls ein Konto bei einer deutschen Bank oder Sparkasse in Betracht kommen, deren Ausfall eher unwahrscheinlich ist. Darüber hinaus, so schreibt das Hamburger Abendblatt, hätten die Anlagen lange Laufzeiten gehabt und wären nur bescheiden verzinst worden (mit 1,9 bzw. 3,5 Prozent). Es spricht also einiges dafür, dass K&N hier seine Pflichten als Verwalter verletzt haben könnte.
Dass hier eine Pflichtverletzung der Verwaltung vorliegen könnte, für welche K&N ggf. selbst haftet, dürfte auch der Grund für den Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen sein. Denn solche Beträge dürfte weder K&N stemmen können, noch dürfte eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung hierfür ausreichen.
Aus meiner Sicht ist dieser Fall beispiellos. In jeder Jahresabrechnung einer WEG ist die Erhaltungsrücklage ein wesentlicher Teil. Auch die Kontendarstellung wird von den Eigentümern argwöhnisch geprüft und hinterfragt. Dabei stellt sich natürlich eine weitere Frage: Ist das wirklich keinem Eigentümer oder Beiratsmitglied, z.B. im Rahmen der Belegprüfung, aufgefallen? Hat es kein Eigentümer hinterfragt, als in der Jahresabrechnung als Bezeichnung für das Rücklagenkonto z.B. nicht mehr die heimische Sparkasse, sondern eine Anleihe der Deutschen Rücklagen GmbH auftauchte? Und wenn es auffiel, warum wurde es geduldet? Hier werden in den nächsten Monaten noch manch spannende Fragen und Antworten auftauchen.
Dr. Patrick Kühnemund