Anspruch auf Abberufung des Verwalters?

Gedanken zu BGH V ZR 65/21 vom 25.2.2022

Manch einem Wohnungseigentumer mag der Verwalter ein Dorn im Auge seien. Die Gründe mögen vielfältig sein, manch Eigentümer sähe es gerne, wenn die WEG (bzw. neuerdings als GdWE – Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bezeichnet) eher früher als später den Verwalter abberiefe. Nur wollen da manchmal die Miteigentümer nicht so recht mitspielen. Ein Antrag auf Abberufung des Verwalters findet keine Mehrheit. Und so wird dann dieser Negativbeschluss angefochten, verbunden mit dem Beschlussersatzungsantrag auf Abberufung des Verwalters. Das Argument: Es sei der GdWE nicht länger zuzumuten, mit diesem Verwalter länger zusammenzuarbeiten.

Aber so einfach ist es nicht: Bereits nach altem Recht (also bis zum 30.11.2020) hatte der BGH einen Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters aus § 21 IV WEG aF nicht schon dann angenommen, wenn ein wichtiger Grund im Sinne von § 26 I 3 und 4 WEG aF hierfür bestand. Vielmehr hat er den Wohnungseigentümern einen Beurteilungsspielraum eingeräumt und einen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters erst dann bejaht, wenn dieser Beurteilungsspielraum überschritten war. Das war dann anzunehmen, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erschien, was der Tatrichter in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen hatte. Vereinzelt sprach man auch von einem sog. Verzeihungsermessen.

Auch nach dem Inkraftreten des WEMoG zum 1.12.2020 besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint.

An dieser Betrachtungsweise ändert sich nichts dadurch, dass die Eigentümer mehrheitlich nach der neuen Rechtslage den Verwalter jederzeit abberufen können, ohne dass sie hierfür einen wichtigen Grund bräuchten. Entgegenstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam geworden. Wird der Verwalter abberufen, endet der mit ihm geschlossene Vertrag zudem spätestens sechs Monate nach der Abberufung; entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag sind ebenfalls unwirksam geworden.

Aber darum geht es hier ja nicht. Es geht hier ja um die Frage, ob ein einzelner Eigentümer von seinen Miteigentümern verlangen kann, den Verwalter abzuberufen. Und inosweit sind die Voraussetzungen des Anspruchs unverändert geblieben. Ein Anspruch auf Abberufung des Verwalters besteht weiterhin, wenn deren Ablehnung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. „Nicht vertretbar“ bedeutet allerdings nicht, dass unerfüllbare Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden dürfen ; es reicht aus, wenn in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Und hierzu muss der Tatrichter eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles vornehmen.

Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen sind, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung; allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich sind, gibt es nach Ansicht des BGH nicht. Die Annahme, dass die Ablehnung der Abberufung eines Verwalters unvertretbar ist, kann sich nämlich erst in der Gesamtschau eines neuerlichen Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben oder umgekehrt kann ein neuer Vorfall einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Zudem kann ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren späteren Vorfällen, „die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen“, wesentliche Bedeutung erlangen. Zwar ist auch denkbar, dass ein bestimmter Zeitablauf eine Pflichtverletzung im Rahmen der Gesamtabwägung als weniger gewichtig erscheinen lässt. Dies ist aber nur ein mögliches Ergebnis der Abwägung und enthebt das Tatsachengericht nicht der Pflicht, zunächst alle Umstände in die Gesamtabwägung einzustellen.

Die jetzige Vorsitzende des V. Zivilsenates, die auch auchon 2022 an dem Urteil als Beisitzerin mitgewirkt hat, Frau Dr. Brückner, beschreibt die Abwägung in einem Aufsatz in der ZMR 2023, 1, 5 mit einem anschaulichen Beispiel: Verschleppe z.B. ein Verwalter im Jahr 2010 die Umsetzung eines Sanierungsbeschlusses ohne triftige Gründe um mehrere Monate und geschehe dieses im Jahr 2018 erneut, könne darin ein grundlegendes Problem dieses Verwalters liegen. Offen sei aber nach wie vor, ob es eine zeitliche Grenze gebe, ob z.B. ein Eigentümer sein Abberufungsverlangen im Jahr 2022 darauf stützen könne, dass der Sanierungsbeschluss aus 2018 erst mit Verzögerung umgesetzt worden sei.