Ich habe vor einigen Tagen eine Entscheidung des Landgericht Hamburg im Volltext eingestellt (Urteil vom 20.12.2023 – 318 S 73/19 – sie finden diese hier). In diesem Beitrag möchte ich einen interessanten Aspekt der Entscheidung herausgreifen, nämlich den positiven Negativbeschluss.
Was war geschehen? Am Dach des Hauses der WEG hatten Dachdeckerarbeiten stattgefunden. Bei heftigen Regenfällen war Wasser in die ungeschützte Konstruktion eingedrungen und hatte sich seinen Weg durch das Gemeinschaftseigentum in die im Dachgeschoss belegene Wohnung unserer Mandanten gesucht.
Unsere Mandanten hatten sinngemäß beantragt zu beschließen, dass die Gemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Ansprüchen gegenüber Handwerkern, Architekt und Verwaltung beauftragen solle, sofern es Schäden im Gemeinschaftseigentum betreffe. Denn erste Untersuchungen hatten ergeben, dass ein Schimmelbefall in der Dachbalkenkonstruktion nicht auszuschließen war.
Was haben die Eigentümer in der Eigentümerversammlung gemacht? Sie haben nicht etwa diesen Beschluss unserer Mandanten einfach abgelehnt, das wäre dann ein „echter“ Negativbeschluss gewesen. Sie haben vielmehr beschlossen:
„Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes namens und in Vollmacht der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfolgung von Mängelgewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen gegenüber den verantwortlichen Bauunternehmern und dem Architekten wird abgelehnt.“
Also eine interessante Konstruktion: Da wurde nicht nur ein Beschluss „abgelehnt“, er wurde sogar ins Gegenteil verkehrt, es wurde beschlossen, dass man etwas gerade nicht wolle. Kategorisch sagen die Eigentümer, dass sie keinen Rechtsanwalt einschalten wollten.
Dogmatisch muss man sich an dieser Stelle fragen, was das ist: Ist das nur ein sog. Negativbeschluss (so noch das Amtsgericht), der bekanntlich keinerlei Sperrwirkung hat? Oder ist das nicht mehr? Ist das nicht eine positive Willensäußerung, etwas nicht tun zu wollen?
Genau so hat es das Landgericht zu Recht gesehen. Ein Positivbeschluss, der eine negative Regelung zum Inhalt hat, nicht mit einem Negativbeschluss gleichzusetzen. Während ein Negativbeschluss keinerlei Sperrwirkung für die Zukunft entfaltet und nur die Ablehnung des konkret gestellten Antrags zum Gegenstand hat, reichen die Wirkungen eines negativ formulierten Positivbeschlusses deutlich weiter. Wird ein negativ formulierter Antrag wie im vorliegenden Fall positiv beschieden, bindet das die Wohnungseigentümer und die Gemeinschaft, dass auch zukünftig eine Änderung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in Bezug auf den Beschlussgegenstand nicht eintreten soll bzw. wird. Anders als bei einem echten Negativbeschluss ist daher auch ein Regelungsgehalt dahingehend gegeben, nicht tätig werden zu wollen.
Und wenn man diese Willensäußerung, nicht tätig werden zu wollen, zugrunde legt, widersprach der von uns angefochtene Beschluss nach Ansicht des Landgerichts den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn der gewählte Beschlusstext enthält keinerlei zeitliche (wie z.B. „derzeit“) oder sachliche Einschränkung. Bei gebotener objektiv-normativer Auslegung hat der Beschluss daher den Regelungsgehalt, eine Verfolgung von Mängelgewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen durch einen Rechtsanwalt generell abzulehnen und hiervon auch zukünftig grundsätzlich absehen zu wollen. Dies lässt sich mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nicht vereinbaren. Denn es widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, sich gegen eine Verfolgung von Ansprüchen zu entscheiden, wenn solche erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten.
Wie das Gericht es bewertet hätte, wenn der Beschlussantrag einfach abgelehnt worden wäre, also ein einfacher Negativbeschluss vorgelegen hätte, können wir nur spekulieren. Denn in einem solchen Negativbeschluss hätte ja gerade nicht die Aussage gelegen, generell nichts tun zu wollen. Ein solcher Negativbeschluss hat nur den Inhalt, jedenfalls jetzt gerade in diesem Moment nichts dergleichen tun zu wollen. Hier hatten sich die Eigentümer bzw. die damalige Verwalterin also keinen Gefallen damit getan. Sie hätten den Beschluss einfach ablehnen können. Haben sie aber nicht, sie wollten mehr, sie wollte deutlich machen, dass aus ihrer Sicht überhaupt und niemals die Einschaltung eines Rechtsanwalts von Nöten wäre, und haben daher einen positiven Negativbeschluss gefasst.