Beschlussanfechtung und Beschlussersetzung – auf den Zeitpunkt kommt es an….

Ich habe am 30.12.2023 hier eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 20.12.2023 veröffentlicht, die Sie hier finden. Ein Teilaspekt dieser Entscheidung war eine sog. Beschlussersetzung.

Was war geschehen? Am Dach des Hauses der WEG hatten Dachdeckerarbeiten stattgefunden. Bei heftigen Regenfällen war Wasser in die ungeschützte Konstruktion eingedrungen und hatte sich seinen Weg durch das Gemeinschaftseigentum in die im Dachgeschoss belegene Wohnung unserer Mandanten gesucht. Unsere Mandanten hatten sinngemäß beantragt zu beschließen, dass die Gemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Ansprüchen gegenüber Handwerkern, Architekt und Verwaltung beauftragen solle.

Was hat haben die Eigentümer gemacht? Sie haben nicht etwa diesen Beschluss einfach abgelehnt, das wäre dann ein „echter“ Negativbeschluss gewesen. Sie haben vielmehr beschlossen:

„Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes namens und in Vollmacht der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfolgung von Mängelgewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen gegenüber den verantwortlichen Bauunternehmern und dem Architekten wird abgelehnt.“

Dass dieses ein ungewöhnlicher positiver Negativbeschluss ist, hatte ich im vorhergehenden Beitrag bereits thematisiert.

Hier geht es jetzt um die Frage, was wir mit einer Beschlussanfechtung alleine erreicht hätten: Nämlich nichts. Der Beschluss wäre aufgehoben worden, aber einen positiven Beschluss hätten wir immer noch nicht gehabt. Deshalb haben wir, wie es üblich ist, die Beschlussanfechtung mit einer Beschlussersetzungsklage verbunden. Im Rahmen einer solchen Beschlussersetzungsklage kann das Gericht in freiem Ermessen einen Beschluss der Wohnungseigentümer „ersetzen“. Das, was die Eigentümer nicht hinbekommen, kann das Gericht machen. Allerdings sind insbesondere hier in Hamburg die Wohnungseigentumsgerichte sehr vorsichtig mit solchen Beschlussersetzungen. Denn letztlich wollen die Gerichte nicht mehr als nötig in die Selbstverwaltung der Wohnungseigentümer eingreifen. Hier war das Landgericht „gnädig“ und hatte erkannt, dass nach bald fünf Jahren endlich einmal was passieren musste.

Bei der Verbindung der Beschlussanfechtung mit der Beschlussersetzung können sich interessante Konstellationen ergeben. Denn für die Frage, ob eine Beschlussanfechtung erfolgreich war, ob die Ablehnung des Beschlusses also ordnungsmäßiger Verwaltung entsprach, kommt es auf den Kenntnisstand der Eigentümer in der Versammlung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung an. Die Beschlussersetzungsklage ist ebenfalls begründet, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf den seinem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss hat, weil nur eine bestimmte Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Abzustellen ist dabei aber nicht auf den Zeitpunkt der Versammlung, sondern auf den Zeitpunkt, in dem das Gericht den Beschluss ersetzt, also den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. In diesem Verfahren lagen zwischen Versammlung und letzter Verhandlung rund fünf Jahre.

Deutlich wird der Unterschied an einem anderen Sachverhalt, einen Parallelverfahren auch in dieser Gemeinschaft, das Urteil werde ich in den nächsten Wochen ebenfalls veröffentlichen. Unsere Mandanten hatten nämlich nicht nur die Einschaltung eines Rechtsanwaltes gefordert, sondern auch die Beauftragung von Sachverständigen zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes. Auch dort war der Beschlussantrag unserer Mandanten abgelehnt. Wir hatten den Negativbeschluss angefochten und eine Beschlussersetzungsklage erhoben.

Die Anfechtung hatte das Gericht abgewiesen mit dem Argument, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vor fünf Jahren hätte es noch nicht genügend Anhaltspunkte gegeben, wonach die Eigentümer zwingend dazu verpflichtete gewesen wären, damals schon ein Begutachtung oder Sanierung zu beauftragen. Es wäre durchaus vertretbar gewesen, damit noch zu warten. Jetzt, fünf Jahre später, hatte es aber umfangreiche Begutachtungen von verschiedenen Seiten gegeben, speziell durch eine Schimmelsachverständige. Diese war vom Gericht befragt worden und sagte aus, dass mit Sicherheit im Bereich des Gemeinschaftseigentums Schimmelbelastungen vorhanden seien, die aus sachverständiger Sicht beseitigt werden müssten.

Und damit war die Situation heute, also zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über die Beschlussersetzung entscheiden musste, eine andere, als vor fünf Jahren. Jetzt stand fest, dass eine Sanierung erfolgen musste, das Ermessen der Eigentümer war insoweit auf Null reduziert. Und dementsprechend gab das Gericht der Beschlussersetzungsklage statt.

Es kann also bei einer solchen Konstellation zu der vordergründig paradoxen Situation kommen, dass ein anfechtender Eigentümer die Beschlussanfechtung verliert, die Beschlussersetzung aber gewinnt.