Die virtuelle Eigentümerversammlung erscheint am Horizont…

Auf der Website des Bundesministeriums der Justiz ist jetzt ein Referentenentwurf veröffentlicht worden, der u.a. die Möglichkeit einer virutellen Eigentümerversammlung vorsieht. Darüber hinaus wird die Errichtung von Anlagen zur Stromerzeugung durch Steckersolargeräte in den Bereich der privilegierten baulichen Veränderungen nach § 20 Abs. 2 WEG aufgenommen.

Konkret sollen die Eigentümer mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen können, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an eine Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Eigentümerversammlung). Die virtuelle Eigentümerversammlung muss allerdings hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsensversammlung vergleichbar sein.

Entscheiden sich die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen, so haben sie nach § 23 Absatz 2a WEG-E die Wahl, entweder zu beschließen, dass Versammlungen nur noch als reine Online-Versammlungen durchge-führt werden („stattfindet“), oder dass sie auch als reine Online-Versammlungen durchgeführt werden können („stattfinden kann“), es mithin einer weiteren Entscheidung hierzu bedarf. Einen vergleichbaren Gedanken enthält § 118a des Aktiengesetzes (AktG). Beschließen die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer, dass Versammlungen rein online durchgeführt werden können, so können sie das konkrete Format für bevorstehende Versammlungen durch Geschäftsordnungsbeschlüsse regeln. Treffen sie keine solche Regelung, entscheidet die Verwalterin oder der Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen über die Art der Durchführung.
Der Entwurf sieht ein Quorum von 75 Prozent der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen vor. Mit diesem hohen Quorum wird der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die das Wohnungseigentum typischerweise für viele Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer hat.
Das vorgesehene 75-Prozent-Quorum orientiert sich an der Rechtslage im Aktienrecht. Wie das Wohnungseigentumsgesetz geht auch das Aktiengesetz davon aus, dass Präsenzversammlungen der Regelfall sind. Die Satzung einer Aktiengesellschaft kann allerdings virtuelle Hauptverhandlungen vorsehen (§ 118a AktG). Satzungsänderungen bedürfen nach dem Aktiengesetz eines Hauptversammlungsbeschlusses mit einer Mehrheit von mindes-tens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 179 AktG). Spricht sich in einer Wohnungseigentümerversammlung mindestens eine Dreiviertelmehrheit für reine Online-Versammlungen aus, ist das ein starkes Indiz dafür, dass in dieser Gemeinschaft die Präsenzversammlung nicht für das vorzugswürdige Versammlungsformat gehalten wird.
Die vorgeschlagene Befristung auf drei Jahre übernimmt den Befristungsgedanken aus dem Aktienrecht (§ 118a AktG) und verfolgt mehrere Zwecke. Erwerberinnen und Erwerber von Wohnungen sollen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. Die Befristung trägt auch der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer zu virtuellen Versamm-lungen ändern kann.
Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen müssen hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sein. Technisch erfordert dies die Durchführung einer Videokonferenz (Zwei-Wege Audio- und Videoverbindung in Echt-zeit), Versammlungen in einem Chat oder Telefonkonferenzen kommen nicht in Betracht. Hinsichtlich der Rechteausübung bedeutet dies, dass die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer alle Rechte ausüben können müssen (etwa Rederecht, Fragerecht, Recht zur Antragstellung, Stimmrecht). (Q: Referentenentwurf)