AG Hamburg St.Georg vom 1.12.2023 – 980b C 31/22
Zu welcher Uhrzeit darf der Verwalter zu einer Eigentümerversammlung einladen? In einer Entscheidung aus 2022 hatte das Amtsgericht Hamburg St.Georg sich bereits einmal zu der Uhrzeit “18.00 Uhr ” geäußert und diese Zeit als unproblematisch befunden. Ich hatte das damals sehr umfangreich kommentiert, den Beitrag finden Sie hier.
In der aktuellen Entscheidung ging es um eine Eigentümerversammlung an einem Donnerstag um 17.00 Uhr. Diese fand nicht in Hamburg, am Sitz der GdW oder der Verwaltung statt, sondern in Norderstedt. Die Stadt liegt direkt nördlich von Hamburg. Der Versammlungsort war 14 km von der Liegenschaft entfernt und ließ sich in 30 Minuten mit dem Auto und in 50 Minuten mit dem ÖPNV erreichen.
Das AG St.Georg hat weder Ort noch Zeit beanstandet. Dabei hat es zu Recht darauf hingewiesen, dass 17.00 als Versammlungszeit an einem Werktag in der Rechtsprechung bisher nie beanstandet worden ist. Interessant sind Ausführungen des Amtsgerichts “am Rande”, mit denen das Gericht die Realität beleuchtet. Das Amtsgericht schreibt dazu in den Entscheidungsgründen: “Ob daran im Lichte veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen – etwa die Verknappung des Angebots von Fachkräften oder die heutigen Anforderungen der (jungen) Arbeitnehmer an ihre sog. Work-Life-Balance, durch die die WEG-Verwaltungen gerichtsbekantermaßen vor Herausforderungen bei der personellen Besetzung von Eigentümerversammlungen „in den späten Abend hinein“ stehen – sowie der Digitalisierung entsprechend der Möglichkeit zur Durchführung einer hybriden Eigentümerversammlung i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG oder – zukünftig – einer rein virtuellen Versammlung überhaupt festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung.”
Ich verstehe die Aussagen des Gerichtes so, dass es vielleicht sogar Sympathien dafür hätte, eine noch frühere Uhrzeit zu wählen. Denn in der Tat finden sich immer weniger Fachkräfte, die nach abgeschlossener Ausbildung in der WEG-Verwaltung arbeiten wollen. Wer will sich denn schon 40 bis 50 Abende im Jahr auf Wohnungseigentümerversammlungen “um die Ohren schlagen”, wenn es in der Zinshausverwaltung insoweit wesentlich ruhiger zugeht? Und in der Tat kenne ich Verwalter, die die Verwaltung einer GdW nur übernehmen, wenn sich die Eigentümer schon im Rahmen der Bestellung damit einverstanden erklären, dass die Versammlung werktags um 15.00 Uhr stattfinden darf. Argument des Verwalters: Nur so finde ich qualifiziertes Personal.
Den Verweis auf die digitale Versammlung halte ich aber für nicht sinnvoll: Denn auch der Eigentümer, der z.B. um 15.00 Uhr an einer digitalen Versammlung teilnehmen will, muss sich ja dafür von seiner Arbeit “freischaufeln”. Kaum ein Arbeitgeber wird glücklich sein, wenn ein Arbeitnehmer während seiner Arbeit nebenbei auf Handy oder Tablet an der Eigentümerversammlung teilnimmt. Und es gibt ja auch viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im gewerblichen Bereich, bei denen das von vornherein gar nicht möglich wäre.
Am Rande: In der ZMR Ausgabe Mai 2024 ist eine Entscheidung des AG Eutin veröffentlicht, in der es um die Frage geht, ob Beschlüsse noch abendes um 22.00 Uhr gefasst werden dürfen. Wann die Versammlung dort angefangen hat, läßt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Fast alle Flächentarifverträge sehen für solche Zeiten Nachtzuschläge vor, ob die Eigentümer wohl willens sind, ihrem Verwalter solche Zuschläge beim Verwalterhonorar zuzubilligen?
Dr. Patrick Kühnemund