Balkonkraftwerke und virtuelle Versammlung sind durch den Bundestag

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli eine Gesetzesänderung beschlossen, mit der Balkonkraftwerke als privilegierte bauliche Maßnahmen vorgesehen und die virtuelle Eigentümerversammlung eingeführt werden kann. Grundlage ist der Entwurf mit Änderungen des Rechtsausschusses, das Dokument 20/12146 finden Sie hier:

Konkret wird in § 20 Abs. 2 Satz 1 eine neue Nr. 5 eingefügt, wonach jeder Wohnungseigentümer eine angemessene bauliche Veränderung verlangen kann, die “der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte” dient. Eigentlich eine gute Sache und zu § 20 Abs. 2 gibt es ja auch erste klarstellende Rechtsprechung des BGH. Interessant wird es hier, wenn es um die Benachteiligung einzelner Miteigentümer geht, z.B. durch Blendwirkung.

In § 23 gibt es jetzt einen Abs. 1a, der lautet: “Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.“

Auf Empfehlung des Rechtsausschusses wurde jetzt noch § 48 Abs. 6 WEG hinzugefügt: ” „(6) Fassen die Wohnungseigentümer vor dem 1. Januar 2028 einen Beschluss nach § 23 Absatz 1a, ist bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlungdurchzuführen, sofern die Wohnungseigentümer hierauf nicht durch einstimmigen Beschluss verzichten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse”.

Es wird nicht langweilig im Wohnungseigentumsrecht. Und es bleibt abzuwarten, wieviele Gemeinschaften von der virtuellen Versammlung Gebrauch machen. Auch hier gilt zu beachten, dass es zwar eine Dreiviertelmehrheit braucht, aber nur im Hinblick auf die abgegebenen Stimmen. Sind von 50 Eigentümern nur 20 anwesend oder vertreten, können 15 von 50 die virtuelle Versamlung beschließen. Spannend werden auch die Themen, die sich zukünftig aus technischen Fragen ergeben. Viele Gerichtsverhandlungen finden heute ja auch bereits als sog. Videoverhandlungen statt, und es gibt immer wieder Ausfälle und Kuriositäten. In einer Verhandlung hatte ich neulich zwar das Bild des Gerichtssaals auf dem Schirm, das Gericht hörte mich, aber ich das Gericht nicht. Letztlich habe ich dann im Verhandlungssaal angerufen und die Tonspur kam dann über das gute alte Telefon. Mit solchen technischen Kapriolen und deren Auswirkung auf Beschlussfassungen und deren Anfechtbarkeit werden wir uns in Zukunft also vermehrt befassen.

Etwas kurios mutet die Neuregelung in § 48 Abs. 6 an. Bei der Reform 2020 hatte man beschlossen, diese in 2027 zu Evaluieren, als zu prüfen, was sich wie ausgewirkt hat und ob es irgendwo Änderungsbedarf gibt. Daher hat der Rechtsausschuss die Pflicht zur Durchführung mindestens einer jährlichen Präsenzversammlung auf jene Fälle beschränkt, in denen die virtuelle Versammlung vor dem 1.1.2028 gefasst wurde. Konkret heißt es in der Stellungnahme: ” Insofern wird ein Zusammenhang mit der für 2027 vorgesehenen Evaluation der WEG-Reform hergestellt. Dieser Zeitrahmen ermöglicht es, die Ergebnisse der für 2027 vorgesehenen Evaluation angemessen auszuwerten. Der Ausschuss geht davon aus, dass die Ergebnisse der Evaluation im Jahr 2027 so rechtzeitig vorgelegt werden, dass ein sich daran anschließendes Gesetzgebungsverfahren noch im Jahr 2028 im Deutschen Bundestag abgeschlossen werden kann.”

Interessant ist, dass ein Verstoß gegen die in § 48 Abs. 6 vorgesehen Pflicht letztlich überhaupt keine Auswirkung hat. Er führt nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der ausschließlich in virtuellen Versammlungen gefasster Beschlüsse. Das ist eine sinnvolle Klarstellung auf der einen Seite. Auf der anderen Seite: Was bringt die Regelung. Was kann der Eigentümer X machen, wenn der Verwalter trotzdem nicht zur Präsenzversammlung einberuft? Nun, er kann den Anspruch auf Durchführung mindestens einer Versammlung wohl einklagen. Und ein solches Verfahren kann dauern…., besser wäre aus meiner Sicht folgende Regelung gewesen: Ist in einem Kalenderjahr keine Präsenzversammlung durchgeführt worden, darf auch keine virtuelle Versammlung durchgeführt werden, alle dort gefassten Beschlüsse wären zumindest anfechtbar. Damit hätte man die Präsenzversammlung ganz klar “erzwungen”. So ist die Regelung ein zahnloser Tiger….

Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft, also irgendwann in den nächsten Tagen.

Dr. Patrick Kühnemund