Kein Alleingang einzelner Wohnungseigentümer – BGH V ZR 6/23

In der Entscheidung des BGH vom 9.2.2024 hatte das Gericht wieder einmal die Möglichkeit, sich mit den Fragen des neuen Rechts auseinanderzusetzen und für ein wenig Klarheit zu sorgen.

Es ging um eine, so läßt es sich zwischen den Zeilen lesen, zerstrittene Zweier-Gemeinschaft. Der beklagte Eigentümer wollte die Gewerberäume einer ehemaligen Metzgerei, die seit Jahren leer standen, als Wohnraum nutzen. Hiergegen klagte der Kläger als weiterer Miteigentümer. Die Klage wurde 2021 eingereicht, Fragen zum alten Recht oder zu eventuellen Übergangsregelungen stellten sich daher nicht.

Und nach neuem Recht, das stellt der BGH wieder einmal ganz deutlich klar, ist der einzelne Eigentümer nicht mehr berechtigt, gegen andere Eigentümer vorzugehen, solange er nicht als Sondereigentümer nahezu ausschließlich allein in seinen Rechten tangiert wird. Hier ging es um einen Verstoß gegen die in der Teilungserklärung getroffenen Zweckbestimmungen. Und zur Durchsetzung dieser Regelungen ist alleine die GdW, also die Gemeinschaft, zuständig.

Dazu an dieser Stelle eine Anmerkung am Rande: Wir haben über 50 Jahre immer von der Wohnungseigentümergemeinschaft gesprochen. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum WEMoG allerdings den Begriff der “Gemeinschaft der Wohnungseigentümer” verwendet. Und nun spricht alle Welt von der “Gemeinschaft der Wohnungseigentümer”, oder abgekürzt: GdW bzw. GdWe – völlig überflüssig.

Aber zurück zur Sache: Das Landgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen und der BGH hat das bestätigt. Bereits in einem Urteil vom 28.1.2022 hatte der BGH festgestellt, dass der einzelne Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen könne. Entsprechende Unterlassungsansprüche könnten nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden. Offen war nun nur noch die Frage, ob das auch in einer Zweier-Gemeinschaft gelten solle, oder ob hier nicht der einzelne verbleibende Eigentümer direkt gegen den Störer klagen können sollte. Als Begründung wurde die sog. actio pro socio herangezogen, ein Rechtsinstitut aus dem Gesellschaftsrecht, wonach einzelne Gesellschafter andere Gesellschafter zur Leistung an die Gesellschaft verklagen können.

Dafür besteht nach Ansicht des BGH keine Notwendigkeit, denn letztlich ist es ja gerade in einer Zweier-Gemeinschaft einfach: Die Gemeinschaft wird durch die Eigentümer vertreten. Steht ein Eigentümer auf Beklagtenseite, wird sie nur noch durch den verbleibenden einzelnen Eigentümer vertreten. Die GdW, vertreten durch diesen Eigentümer, kann also auf Unterlassung klagen. Einer Beschlussfassung bedarf es dazu nicht, weil diese bloße Förmelei wäre.

Interessante Ausführungen finden sich in den Urteilsgründen im Sinne eines sog. obiter dictum. Das bedeutet, dass das Gericht etwas zu einer Frage sagt, die hier gar nicht entscheidungserheblich ist. Denn der BGH sinniert sehr breit darüber, ob eine actio pro socio, bei der einzelne Eigentümer andere Eigentümer verklagen können, nicht ggf. in größeren verwalterlosen Gemeinschaften möglich wäre, wenn es um Beitragsansprüche ginge. Die Argumente des BGH sind sehr pragmatsich. Stellen wir uns eine Gemeinschaft mit 5 Eigentümern vor, die keinen Verwalter hat. Es gibt aber einen Wirtschaftsplan mit Fortgeltungsklausel. Eigentümer x zahlt seit Monaten nicht, das Konto der GdW hat nicht genügend Deckung. Hier müsste die WEG, vertreten durch die anderen vier Eigentümer klagen. Dafür bräuchte es dann aber doch einen Beschluss.

Schon die Einberufung und Durchführung einer Eigentümerversammlung werfe nach Ansicht des BGH beträchtliche Probleme auf Selbst bei Durchführung einer Eigentümerversammlung und Fassung eines auf Erhebung einer Zahlungsklage gerichteten Mehrheitsbeschlusses wäre begründungsbedürftig, warum daraus eine persönliche Mitwirkungspflicht der (mit Ausnahme des künftigen Beklagten nur gemeinsam vertretungsberechtigten) Wohnungseigentümer folgen sollte . Vor allem aber müsste ggf. die Mitwirkung klageunwilliger Wohnungseigentümer ihrerseits im Klagewege durchgesetzt werden, da die Regelung des § 27 Abs. 3 Satz 3 WEG aF, die die mehrheitliche Ermächtigung eines einzelnen Wohnungseigentümers zur Vertretung der GdWE genügen ließ, entfallen sei. Vereinfacht ausgedrückt: Vielleicht müsste Eigentümer Nr. 1 erst einmal die Eigentümer Nr. 2 bis 4 darauf verklagen, gemeinsam mit ihm als Vertreter der GdW den zahlungsunwilligen Eigentümer Nr. 5 zu verklagen – ein Teufelskreis….

Dr. Patrick Kühnemund