Die Zwei-Personen-Gemeinschaft

Anmerkungen zur Entscheidung des BGH vom 19.6.2022 (V ZR/180/21)

Das Leitbild des Gesetzgebers des WEG war sie sicherlich nicht, aber es gibt sie: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die nur aus 2 Einheiten und nur aus zwei Eigentümern besteht. Nun ist es nach dem WEMoG seit dem 1.12.2020 ja sogar möglich, dass eine GdWE nur aus einem Wohnungseigentümer besteht, der halt Eigentümer aller einzelnen Einheiten ist. Das ist ja im Gesellschaftsrecht durchaus nicht ungewöhnlich, auch die Gesellschaftsanteile einer GmbH können zu 100% von einem Gesellschafter gehalten werden.

Was versteht man unter einer Zweier-WEG ?

Die klassische Zwei-Personen-Gemeinschaft oder “Zweier-WEG” ist aber dadurch gekennzeichnet, dass es tatsächlich auch nur zwei Einheiten gibt. Das ist z.B. das “Doppelhaus”, das nach WEG geteilt ist. Verbreitet hier in Hamburg ist darüber hinaus die Bebauung von hinteren Grundstücksteilen. Nach dem Krieg wurden Grundstücke geschaffen, die schmal aber tief waren. Vorne stand das Haus, hinten gab es viel Platz für Gemüsegarten, Hühner und sonstiges Kleinvieh. Heute will niemand so viel Land bewirtschaften. Im hinteren Teil wird also ein zweites Haus gebaut. Eine sogenannte Realtteilung ist oft nicht möglich, weshalb auch diese Grundstücke “nach WEG geteilt werden”. Es gibt also zwei Sondereigentumseinheiten, das Haus Nr. 1 und das Haus Nr. 2. Oftmals haben die auch keinerlei Berührungspunkte, die wenigen Finanzen, die beide zusammen betreffen, werden unkompliziert geregelt.

Worin liegen die speziellen Probleme der Zweier-WEG ?

Nach dem WEMoG gibt es keine oder kaum noch Ansprüche der Wohnungseigentümer untereinander, jedenfalls dann nicht, wenn es sich um Angelegenheiten der Gemeinschaft oder z.B. Störungen im Gemeinschaftseigentum handelt. Benimmt sich z.B. ein Eigentümer daneben und parkt immer die gemeinsame Auffahrt zu, so dass der hintere Eigentümer nicht mehr zu seinem Haus kommt, dann kann der hintere Eigentümer den vorderen Eigentümer nicht mehr in eigenem Namen auf Unterlassung verklagen. Ansprüche auf Unterlassung wegen Störungen im Gemeinschaftseigentum stehen nämlich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu.

Weil sich ja aber vielleicht bis zu diesem Moment beide Eigentümer gut verstanden haben, gibt es nicht mal einen Verwalter, der die GdWE vertritt. Einen Verwalter hatte bis dahin niemand für notwendig erachtet. Und jetzt, wo man zerstritten ist, ist die Wahl eines Verwalters das letzte, worauf die “beiden Streithähne” (oder auch Streithennen) sich einigen können oder mögen.

Erkenntnis des BGH: Wer vertritt die Zweier-WEG ?

Nun, das Gesetz ist realtiv deutlich: Gibt es keinen Verwalter, wird die Gemeinschaft von den Eigentümer vertreten. Will die Gemeinschaft aber den Eigentümer Nr. 2 auf Unterlassung verklagen, wäre es ja paradox, wenn er gleichzeitig Vertreter der GdWE sein könnte. Die Gemeinschaft wird in diesem Falle also von den verbliebenden Eigentümern vertreten. Und das ist in der Zweier-WEG dann halt der einzig verbleibende, der Eigentümr Nr. 1.

Wie formuliert es der BGH ?

Konkret sagt der BGH dazu: ” Hat die GdWE keinen Verwalter, so wird sie bei einer gegen einzelne Wohnungseigentümer gerichteten Klage durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er den klagenden Verband allein. Die Erwägungen, die der Senat für Passivprozesse angestellt hat, lassen sich auf Aktivprozesse übertragen. Denn unabhängig von der Parteirolle der GdWE ist derjenige Wohnungseigentümer, der ihr als Prozesspartei gegenübersteht, seinerseits von der Vertretung der Gemeinschaft ausgeschlossen. Der Zweck des § 9 b I 2 WEG, der darin besteht, die Vertretung der Gemeinschaft zu gewährleisten, kann auch in einem Aktivprozess nur erreicht werden, wenn die verbleibenden Wohnungseigentümer zur vertretung berechtigt sind” (BGH V ZR 180/21).

Benötigt die GdWE einen Beschluss, bevor sie klagen kann?

Nein, in der Regel nicht. Denn im Rahmen einer gesetzlichen Vertretungsmacht ist immer zu unterscheiden zwischen dem “können” im Außenverhältnis und dem “dürfen” im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis ist die Vertretungsmacht des Verwalters oder der Eigentümer nach § 9b Abs. 1 WEG unbeschränkt. Eventuelle Beschränkungen im Innenverhältnis sind in der Regel vom Gericht zu nicht überprüfen oder zu berücksichtigen. Diese Sichtweise des BGH ist konsequent. Auch bei einem GmbH-Geschäftsführer käme niemand auf die Idee zu prüfen, ob es vielleicht einen einschränkenden Beschluss der Gesellschafterversammlung gäbe.

Der BGH formuliert es so: “Der (vom Gesetzgeber) gewünschte Effiziensgewinn träte nicht ein, wenn beklagte Wohnungseigentümer einer Klage der GdWE wie bislang unter Verweis auf die fehlende Ermächtigung im Innenverhältnis entgegentreten könnten; auch die Ausübungsbefugnis der GdWE bezogen auf Klagen gemäß § 1004 BGB wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums wäre entwertet, wenn weiterhin auch die auf die Klageerhebung bezogene interne Willensbildung überprüft werden müsste” (BGH V ZR 180/21).

Die “Regel” hat aber eine Einschränkung: Es braucht natürlich einen Beschluss, wenn dieser Voraussetzung ist, um einen Anspruch überhaupt erst entstehen zu lassen: Für die Klage auf Wohngeld braucht es einen Beschluss über die Vorschüsse. Für die Einforderung einer Sonderumlage benötigt die GdWE ebenfalls einen Beschluss hierüber. Das ist aber keine Frage der Prozessführungsbefugnis, sondern der Begründetheit der Klage.