“Nun bin ich so alt wie der Wald und hab sowas nicht gesehen!”

Von Zwergen und Teilungserklärungen

Wenn man laut der germanischen Mythologie einen Zwerg erkennen wollte, der sich listig unter die Menschen gemischt hatte, so musste man etwas Ungewöhnliches tun, zum Beispiel Bier in einer Eierschale brauen oder Wasser darin sieden. Dann sollte sich der Zwerg erheben mit dem Spruch “nun bin ich alt wie der Wald und hab so etwas nicht gesehen”. Dann verschwand der Zwerg (Golter, Handbuch der germanischen Mythologie, 3. Auflage 1987, S. 139).

So wie dem Zwerg in der Sage geht es auch mir manchmal in der täglichen Arbeit. Da kann man sich noch so viele Jahre mit einem Rechtsgebiet beschäftigen, und dann kommt etwas auf den Tisch, was man so noch nicht gesehen hat.

So geschah es letzte Woche: Ein Verwalter übersandte mir eine Teilungserklärung mit der Bitte um Rat und Unterstützung. Ein Miteigentümer wollte seine Wohnung verkaufen und wie üblich war im Grundbuch vermerkt, dass ein solcher Verkauf der Zustimmung des Verwalters bedurfte. Der verkaufswillige Eigentümer hatte in der Teilungserklärung aber noch viel mehr gefunden. Dort gab es einen Passus, der lautete wie folgt:

„Der Veräußerer hat die Verpflichtung, die Absicht einer genehmigungspflichtigen Veräußerung den anderen Wohnungseigentümern so rechtzeitig anzuzeigen, dass diese in der Lage sind, den Anteil selber zu erwerben zu den Bedingungen, die ein dritter Außenstehender bieten würde oder geboten hat. Als angemessene Frist gelten 3 Monate. Erklären sich einer oder mehrere Wohnungseigentümer bereit, den zum Verkauf gestellten Anteil zu erwerben, so hat der Verwalter das Recht, die Veräußerung an einen außenstehenden Dritten nicht zu genehmigen. Gegen eine solche Entscheidung des Verwalters steht dem betroffenen Wohnungseigentümer das Recht zu, an die Wohnungseigentümerversammlung zu appellieren, die mit einfacher Mehrheit über die Entscheidung des Verwalters beschließt.”

Solches war mir in der Tat noch nicht untergekommen. Die Teilungserklärung war in Hamburg beurkundet worden und datierte aus dem Jahr 1960.

Was hatte der Verfasser der Teilungserklärung gewollt: Hier war so etwas Ähnliches wie ein schuldrechtliches Vorkaufsrecht in der Teilungserklärung vorgesehen. Dieses sollte einem kaufinteressierten Miteigentümer zwar kein direktes Recht geben, das er gegenüber dem Verkäufer ausüben konnte. Es sollte aber den Verwalter dazu berechtigen, die Zustimmung zum Verkauf zu versagen. Was genau passieren sollte, wenn der Verwalter, gegebenenfalls auch die Wohnungseigentümerversammlung, die Zustimmung versagten, weil zum Beispiel einer der Miteigentümer Interesse an einem Kauf dieser Wohnung hat, lässt die Teilungserklärung offen.

Eine Recherche ergab, dass solche Teilungserklärungen oder solche Regelungen in Teilungserklärungen in den Jahren nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes, also in den 1950ziger Jahren, wohl gar nicht so selten waren. Jedenfalls hatte schon das Oberlandesgericht Celle im Jahre 1955 über eine vergleichbare Klausel zu entscheiden (OLG Celle, Beschluss vom 07.04.1955 – 4 Wx 1/55 – veröffentlicht in NJW 1955, 953). Das OLG Celle entschied damals relativ knapp im Leitsatz: „Ein Vorkaufsrecht der anderen Wohnungseigentümer kann nicht als Inhalt des Wohnungseigentums, sondern nur in Form einer Belastung vereinbart werden.“ In den Entscheidungsgründen argumentiert das Oberlandesgericht dann, dass ein Vorkaufsrecht nicht Inhalt des Wohnungseigentums sein könne. Nach § 10 WEG der damaligen Fassung könnten die Eigentümer zwar eine ganze Menge in der Teilungserklärung vereinbaren. Das Vorkaufsrecht könne jedoch nicht zum Inhalt des Wohnungseigentums gemacht werden, weil dieses mit der in § 12 WEG getroffenen zwingenden Regelung nicht vereinbar wäre.

In der Tat regelt und regelte schon damals § 12 WEG, dass die Zustimmung zur Veräußerung, wenn ein solcher Zustimmungsvorbehalt vereinbart war, nur aus wichtigem Grund versagt werden dürfe. Und was solch ein wichtiger Grund ist, das hatte ich bereits in einem der vorangegangenen Beiträge dargestellt bzw. das finden Sie hier im Lexikon.

Aktuell spricht für eine Unwirksamkeit solcher Klauseln auch ergänzend, dass nach der Reform durch das WEMoG ein Zustimmungsvorbehalt zum Beispiel des Verwalters durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer abgeschafft werden kann. Was wäre das für ein Vorkaufsrecht, das der Mehrheit der Miteigentümer unterläge…

Alte Verträge und insbesondere auch alte Teilungserklärungen fördern manchmal interessante bis kuriose Fundstücke zutage.