Die Maßstabskontinuität bei § 16 Abs. 2, oder: müssen wir das heute schon beschließen, oder kann das noch warten?

§ 16 Abs. 2 WEG in der aktuelle Fassung sieht vor, dass die Eigentümer bestimmte Kosten oder bestimmte Arten von Kosten abweichend von Gesetz oder Teilungserklärung per Beschluss verteilen können. Das dürfte sich mittlerweile ja herumgesprochen haben.

Aber wie macht man es richtig? Nun, da scheiden sich die Geister, oder anders: Da streiten sich die Landgerichte, nämlich die in Stuttgart und in Frankfurt a.M.

Beispiel: Die Wohnungseingangstür der Familie X ist defekt und muss erneuert werden. Diese Türen sind zwingend Gemeinschaftseigentum. Die Teilungserklärung sieht keine gesonderte Regelung vor. Die Kosten wären also von allen Eigentümern zu tragen. Die Eigentümer machen jetzt aber von Ihrem Recht aus § 16 II WEG Gebraucht und beschließen, dass die Tür erneuert werden soll, die Kosten aber nur von der Familie x zu tragen seien. Das ist nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 WEG zulässig.

Schon zum alten Recht hatte sich allerdings in ähnlichen Konstellationen der Begriff der sog. Maßstabskontinuität gebildet, der vereinfacht gesagt folgendes beschreibt: Wenn ich die Kosten für bestimmte Maßnahmen heute bestimmten Eigentümer auferlege, muss ich sicherstellen, dass das in der Zukunft genauso geschieht, wenn es um gleiche Sachverhalte geht.

Im konkreten Fall hatten die Eigentümer X den Beschluss denn auch angefochten und argumentiert, er widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nicht gleich mit diesem Beschluss auch sichergestellt würde, dass auch in Zukunft die anderen Eigentümer bei der Instandsetzung “ihrer” Türen auch alleine die Kosten tragen. Das Argument fand das LG Stuttgart stichhaltig und erklärte den Beschluss daher für ungültig (Az: 10 S 41/21).

Das Landgericht Frankfurt a.M. (2-12 S 15/22) sieht das anders und dreht die zeitliche Abfolge um: Ja, es müsse sichergestellt sein, dass in einem solchen Fall (hier ging es um Dachflächenfenster) die Eigentümer X nicht an den Kosten beteiligt würden, wenn bei anderen Eigentümern die Fenster saniert würden. Es könne nicht sein, heute die Kosten dem einzelnen betroffenen Eigentümer aufzuerlegen und bei der gleichen Maßnahme beim Nachbarn die Kosten auf alle Eigentümer umzulegen. Diese Wahrung der Maßstabskontinuität sei aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung des aktuellen Beschlusses, sondern müsse in der Zukunft berücksichtigt werden. Der aktuelle Beschluss sei nicht zu beanstanden. Wenn aber, auf das Beispiel aus Stuttgart zurückkommend, in zwei Jahren die Tür der Nachbarn Y erneuert werden müssen, müsse dort auch sichergestellt werden, dass diese die Kosten alleine tragen. Ein Beschluss, wonach die Kosten der Erneuerung der Eigentümer Y nach Miteigentumsanteilen verteilt würden, würde dann ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen.

Die Entscheidung aus Frankfurt soll nicht rechtskräftig geworden sein, vielleicht hat also der BGH ja demnächst die Möglichkeit, sich damit zu befassen.

Wenn eine Gemeinschaft aber schon heute alles richtig machen will, sollte sie der Auffassung aus Stuttgart folgen, und schon heute im Beschluss klären, dass in gleichgelagerten Fällen ebenfalls die betroffenen Eigentümer die Kosten zu tragen hätten. Das wäre jedenfalls an sicht nicht anfechtbar, denn da wird die Maßstabskontinuität bereits jetzt sichergestellt.